Verhandlungen sind keine Theorieübung, sondern finden in der Praxis mit echten Menschen, Interessen und Emotionen statt. Nach 15 Jahren in Führungs- und Beratungsrollen habe ich gesehen, wie selbst erfahrene Manager gute Deals aus den Händen gleiten ließen – nicht wegen fehlender Fakten, sondern wegen typischer Fehler, die sich wiederholen. Wer versteht, welche Fallstricke er vermeiden muss, hat automatisch einen besseren Hebel, um in Gesprächen überzeugend aufzutreten und langfristige Deals durchzubringen. In diesem Artikel gehe ich auf die größten Fehler ein, die mir in hunderten Verhandlungssituationen begegnet sind, und zeige, wie man sie in der Realität meidet.
Fehlende Vorbereitung
In der Theorie hört man oft, dass man „offen in Gespräche gehen“ soll. In der Praxis sieht es anders aus: Wer nicht vorbereitet ist, verliert. Ich erinnere mich an ein Projekt 2016, bei dem ein Verhandlungsführer meiner Kundenseite keine aktuellen Zahlen zu den Produktionskosten dabei hatte. Die Gegenseite hatte diese natürlich. Der Effekt: Er wurde sofort in die Defensive gedrängt und musste Zugeständnisse machen, die wir später nur schwer korrigieren konnten. Vorbereitung heißt nicht nur, die eigenen Kennzahlen zu kennen, sondern auch die wahrscheinliche Position der Gegenseite, die Marktbedingungen und die eigenen Minimalziele. Aus meiner Sicht hilft es, vor jeder Verhandlung ein One-Pager-Dossier anzufertigen: Ziele, rote Linien und drei mögliche Szenarien. Ohne dieses Grundgerüst geht man schlicht unbewaffnet in das Gespräch. Die große Wahrheit ist: 80% des Erfolges wird vor dem Termin entschieden, nicht während des Termins.
Unklare Ziele
Ein häufiger Fehler, den ich selbst als junger Manager begangen habe, war das Verhandeln ohne klare Zieldefinition. Damals, 2012, wollten wir mit einem Zulieferer bessere Konditionen erzielen, aber das Managementteam war sich nicht einig, ob der Fokus auf Preis, Qualität oder Lieferzeiten liegen sollte. Ergebnis: Die Verhandlung verlief zerfasert, jeder spielte sein eigenes Ziel aus, und am Ende bekamen wir nichts von dem, was wir hätten erreichen können. Wer verhandelt, muss wissen: Geht es mir darum, den Preis zu senken, langfristige Stabilität zu sichern oder Innovation einzubauen? Ich empfehle oft das Modell der SMART-Ziele – aber vereinfacht gesagt: Klare Prioritäten, schriftlich festgehalten, sind das Fundament. Wenn Sie Ihre Erwartungen nicht präzise formulieren, wird die Gegenseite es für Sie tun – zu ihren Bedingungen.
Emotional reagieren
In Verhandlungen prallen Interessen aufeinander und damit auch Emotionen. Doch wer auf Provokationen emotional reagiert, verliert schnell seine Glaubwürdigkeit. Ich erinnere mich an einen Einkaufsleiter, der nach einer Härteattacke der Gegenseite laut wurde. Das war der Moment, in dem die Gesprächsführung kippte. In 99% der Fälle verschafft man sich durch Emotionen keinen Vorteil – im Gegenteil. Die Kunst ist, auch unter Druck souverän zu bleiben. Ein Bannermantra, das ich Führungskräften oft mitgebe, lautet: „Pause ist besser als Reaktion.“ Wer zwei Minuten schweigt, gewinnt meist mehr, als wenn er impulsiv einlenkt. In der Praxis heißt das: Notieren, durchatmen, dann sachlich antworten. Ruhe wird schnell mit Stärke verwechselt – und genau das möchten Sie ausstrahlen.
Zu schnell Zugeständnisse machen
Ein klassischer Fehler, den ich oft im deutschen Mittelstand sehe: Man gibt zu schnell nach, um die Diskussion zu beenden. Das wirkt kurzfristig angenehm – aber langfristig schwach. 2018 hatte ich einen Kunden in der Bauindustrie. Bereits nach 15 Minuten Gesprächszeit machte sein Team 10% Preisnachlass, nur um „guten Willen zu zeigen“. Die Gegenseite griff das natürlich auf und forderte weitere Zugeständnisse. Verhandlungen sind keine Freundschaftsdienste. Wenn Sie zu schnell Angebote machen, wird das als Einstiegspunkt verstanden, nicht als Abschluss. Ich empfehle, jedes Zugeständnis sichtbar teuer zu machen. Zum Beispiel: „Wir können den Preis reduzieren, aber nur, wenn die Abnahmemenge verbindlich steigt.“ So bleibt Ihre Position respektiert.
Die Gegenseite unterschätzen
Viele Fehler passieren, wenn man sein Gegenüber nicht ernst genug nimmt. Zu glauben, „diese kleinen Lieferanten können nichts entgegensetzen“, ist gefährlich. In einem Projekt 2020 hatte ein Kunde einen Zulieferer von uns als nebensächlich eingestuft. Überraschung: Der Zulieferer hatte juristische Expertise und brachte Vertragsklauseln ein, die wir völlig übersehen hatten – kostete uns am Ende zwei zusätzliche Monate Verhandlung. Die Lektion: Gehen Sie immer davon aus, dass die Gegenseite mindestens so professionell vorbereitet ist wie Sie. Der Respekt schützt vor blinden Flecken. Informieren Sie sich über die Unternehmensstruktur, mögliche externe Berater und bekannte Strategien Ihres Gegenübers. Unterschätzen führt fast immer zu unerwarteten Niederlagen.
Nur auf Preis fokussieren
Viele Manager machen den Fehler, Verhandlungen ausschließlich über den Preis zu führen. Aber das operative Geschäft lehrt: Preis ist nur ein Parameter. Ich habe mehrfach gesehen, wie Unternehmen großen Rabatt erzwangen – und später Probleme mit Lieferzuverlässigkeit und Servicequalität hatten. Back in 2018 galt günstiger immer als besser, doch heute, 2025, zählt das Gesamtpaket. Schauen Sie auf Vertragslaufzeit, Service-Level-Agreements, Zahlungsmodalitäten und Flexibilitätsklauseln. Die besten Deals entstehen dort, wo beide Seiten Optimierungen über Nebenbedingungen finden, die den Preis weniger wichtig erscheinen lassen. Ein guter Verhandler fragt nicht nur: „Was kostet es?“, sondern: „Wie funktioniert es für beide Seiten nachhaltig?“
Fehlende Exit-Strategie
Ein weiterer Fehler ist, ohne Exit-Plan in Verhandlungen zu gehen. „Wir verhandeln solange, bis wir was bekommen“ klingt praktisch, ist aber riskant. Ich erinnere mich an eine B2B-Situation im Maschinenbau. Ohne klare Ausstiegskriterien zogen sich die Verhandlungen über acht Monate hin – enorme Opportunitätskosten. Eine klare Exit-Strategie bedeutet: Festlegen, wann man den Tisch verlässt, weil der Preis, die Zeit oder die Bedingungen nicht passen. Ohne Exit gibt es keine Disziplin. Ich empfehle jedem Team, vor Beginn der Gespräche zu notieren: Was ist unser Mindestziel, und wann brechen wir die Verhandlung ab? Diese Klarheit schafft Sicherheit – und wirkt nach außen souverän.
Informationsasymmetrien ignorieren
Oft wird übersehen, dass Verhandlungen vor allem über Informationsbalance entschieden werden. In fast jeder Branche habe ich erlebt, dass die Seite mit mehr Marktinformationen die stärkere Position hatte. Wenn Sie beispielsweise Marktdaten über Einkaufspreise haben, Ihre Gegenseite aber nicht, verschiebt sich das Kräfteverhältnis drastisch. Was ich in der Praxis häufig mache: Mit unabhängigen Marktanalysen in den Termin gehen. Ein Beispiel: Harvard Business Review bietet regelmäßig hochwertige Analysen, die ich nutze, um Zahlen zu untermauern. Wer Informationsasymmetrien nicht beachtet, läuft Gefahr, über den Tisch gezogen zu werden. Die Realität ist: Zahlen sind Macht. Sammeln Sie sie.
Fazit
Was ich über all die Jahre gelernt habe: Verhandlungen scheitern selten an fehlenden Argumenten, sondern fast immer an menschlichen Fehlern – zu wenig Vorbereitung, zu schnelle Reaktionen, falsche Fokuspunkte. Wer die hier beschriebenen Fehler konsequent meidet, erhöht die Chancen auf nachhaltige und faire Ergebnisse massiv. Denken Sie daran: Verhandeln ist kein Sprint, sondern ein strategisches Spiel. Wer seine Züge plant, gewinnt.
FAQs
Was sind die größten Fehler beim Verhandeln?
Die größten Fehler sind fehlende Vorbereitung, unklare Ziele, emotionale Reaktionen und vorschnelle Zugeständnisse, die langfristig Nachteile erzeugen.
Warum ist Vorbereitung so entscheidend?
Weil 80% des Ergebnisses vor dem Gespräch entschieden werden – durch klare Informationen, Strategien und Zieldefinitionen.
Wie erkenne ich, ob ich zu schnell nachgebe?
Wenn die Gegenseite nach einem Zugeständnis sofort mehr fordert, war der Schritt wahrscheinlich zu früh oder zu groß.
Ist Emotion im Verhandeln immer schlecht?
Nicht unbedingt, aber unkontrollierte Emotionen führen fast immer zu Nachteilen. Gezielte emotionale Signale können dagegen nützlich sein.
Welche Rolle spielt der Preis in Verhandlungen?
Der Preis ist nur ein Parameter. Nachhaltige Ergebnisse entstehen durch Berücksichtigung von Qualität, Service und Flexibilität.
Wie finde ich meine roten Linien?
Indem Sie klar definieren, was Ihr Unternehmen unbedingt braucht und wo Sie kompromissbereit sind. Schriftlich festhalten.
Was bedeutet eine Exit-Strategie in der Praxis?
Eine klare Entscheidungslinie: Wenn bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind, beendet man die Verhandlung konsequent und rechtzeitig.
Kann es sinnvoll sein, die Gegenseite zu unterschätzen?
Nein. Wer sein Gegenüber unterschätzt, übersieht oft Ressourcen oder Strategien, die die andere Partei geschickt einsetzt.
Wie wichtig sind Informationen im Verhandeln?
Extrem wichtig, denn Informationsvorsprung schafft Macht. Zahlen und Daten geben Sicherheit und erhöhen die eigene Position.
Sollte man immer selbst reden oder zuhören?
Zuhören ist oft wertvoller. Wer 70% zuhört, erfährt die Bedürfnisse des Gegenübers und kann besser verhandeln.
Gibt es Unterschiede zwischen B2B und B2C Verhandlungen?
Ja. B2B ist oft langfristiger und strategischer, während B2C eher kurzfristige und volumenbasierte Charakterzüge hat.
Wie lang sollten Verhandlungen dauern?
So kurz wie möglich, so lang wie nötig. Ein klarer Rahmen verhindert Zeitverschwendung und Opportunitätskosten.
Welche Rolle spielt Körpersprache?
Eine enorme Rolle. Gelassenheit, Blickkontakt und offene Haltung signalisieren Stärke, unabhängig von den Inhalten.
Sind kulturelle Unterschiede entscheidend?
Ja, besonders im internationalen Geschäft. Verhandlungsstile variieren zwischen Kulturen und beeinflussen den Gesprächsverlauf massiv.
Wie gehe ich mit unfairen Taktiken um?
Benennen Sie taktisches Verhalten sachlich, bleiben Sie ruhig, und bringen Sie das Gespräch auf Fakten zurück.
Was tun, wenn die Verhandlung scheitert?
Nicht als Niederlage sehen. Sondern analysieren, lernen, und beim nächsten Mal mit stärkerer Strategie zurückkehren.